Demokratisches Werteverständnis in Unternehmen

Dr. phil. Martin Weiß ist seit über 6 Jahren bei der AKQUINET und in der Sozialwirtschaft und im Health Care tätig. Neben seinen Projekten in diesen Bereichen engagiert er sich für die Initiative BC4D – Business Council for Democracy.

Das von der Hertie- und der Robert Bosch Stiftung geförderte Programm schult Unternehmen zu den Themen Demokratie, liberales Werteverständnis und freiheitliches Denken. In Zusammenarbeit mit dem ISD, dem Institute for Strategic Dialogue wird für Hate Speech und Desinformation in sozialen Medien,digitalen Räumen und im beruflichen Alltag sensibilisiert. Darüber hinaus werden Instrumente zum Umgang mit Falschinformationen vermittelt. Die Teilnehmer*innen des BC4D erlernen das Verständnis und den Umgang mit Werkzeugen, die sie bei der Recherche nach validen und validierten Informationen unterstützen.

Wir brauchen ein gemeinsames Werteverständnis

Martin hat über berufliche Kontakte und sein sozial-gesellschaftliches Engagement von diesem Programm erfahren. Es ist ihm ein persönliches Anliegen, darüber aufzuklären, wie die Mechanismen von Social Media funktionieren und wie sie das demokratische Werteverständnis fördern, aber auch in Frage stellen können. Deshalb hat er AKQUINET für das BC4D angemeldet. Inzwischen haben bereits 2 Gruppen das Programm durchlaufen.

Während früher über Politik, Religion und andere kontroverse Themen am Arbeitsplatz nicht gesprochen werden durfte, ist der Diskurs heute umso wichtiger. Die Pandemie hat unser Alltags- und Berufsleben stark verändert. Wir konnten uns nicht mehr wie gewohnt austauschen. Viele Menschen haben sich in ihren eigenen Lebens- und Informationsraum zurückgezogen und sich aus den verfügbaren Informationen ihre eigene Wahrheit geschaffen. Während ein Großteil der angebotenen Informationen wissenschaftlich fundiert und mehrheitlich belegt ist, haben sich in den sozialen Medien Foren mit sogenannten “alternativen Fakten” gebildet, die in ihrer Darstellung nur schwer von wissenschaftlichen und journalistisch fundierten Quellen zu unterscheiden sind.

Die unterschiedlichen Informationen spalten die Gemüter und sorgen neben hitzigen Diskussionen auch für Hass, Hetze und Fake News. Und das greift unsere demokratische Grundordnung und unser freiheitliches Werteverständnis an. Umso mehr müssen wir uns mit den Grundlagen unserer Demokratie auseinandersetzen, Desinformation erkennen und ihr entgegentreten. Als Unternehmen können wir dazu beitragen, den Diskurs über unsere Werte zu führen und Fehlinformationen einzuordnen und zu entkräften.

So lief das BC4D-Programm ab

Der BC4D ermöglicht es Arbeitgebern, ihr Engagement für die Demokratie mit einem Netzwerkprogramm sowie mit Schulungen für ihre Beschäftigten auszuweiten. In den Schulungen werden Gruppen von jeweils 20 Beschäftigten von professionellen Trainerinnen und Trainern zu Fragen der digitalen Kommunikation geschult – interaktiv und anhand von konkreten Beispielen und Übungen (#BC4D – Business Council for Democracy: bc4d.org)

In insgesamt 8 Treffen wurde  auch über Themen und Erfahrungen gesprochen, die die einzelnen Teilnehmer*innen in ihrer täglichen Arbeit berühren. Neben Indikatoren für Fehlinformationen und Hetze wurde auch gezeigt, wie man sich als Privatperson, aber auch im unternehmerischen Kontext dagegen positionieren kann. Mit diesem Werkzeugkoffer können die Teilnehmer*innen als Multiplikatoren wirken und das Thema rund um die Verantwortung einer freiheitlichen, vielfältigen und lebendigen Demokratie im Unternehmen und im privaten Umfeld positiv zu leben

Politische Verantwortung durch die CPR – die Corporate Political Responsibility

Unternehmen sollten sich im eigenen Interesse, aber auch im Interesse ihrer Mitarbeiter*innen positionieren und sich mit dem Wesen der Demokratie in der eigenen Organisation und in ihrem Umfeld beschäftigen. Denn ein stabiles politisches System ist die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Wirtschaft, in der unternehmerischer Erfolg möglich ist. Demokratie sichert Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit und damit die Basis für unternehmerisches Handeln. Die bestehenden Ressourcen einer Organisation können durch Corporate Political Responsibility ergänzt werden.

Dazu kann ein Unternehmen 3 Schritte unternehmen:

  1. Entscheidung für eine politische Haltung
  2. die politische Dimension unternehmerischen Handelns systematisch und systemisch (weiter-)entwickeln
  3. die politische Verantwortung und Verantwortlichkeit in der Unternehmensstruktur verankern und gezielte Maßnahmen ableiten

Die Einführung einer CPR und einer entsprechenden Verantwortlichkeit ergänzt nicht nur bestehende Konzepte wie CSR (Corporate Social Responsibility) und ESG (Environment, Social, Governance). Diese profitieren zwar von den Grundpfeilern einer entsprechenden politischen Haltung, bilden aber die damit verbundenen Dimensionen nur unzureichend ab.

Jedes Unternehmen, das sich in irgendeiner Weise zu seinem Umfeld positioniert, kommt nicht umhin, sich mit CPR auseinanderzusetzen.

Freiheitliche demokratische Strukturen ermöglichen in einem wesentlich breit gefächerten Kontext unternehmerische und wirtschaftliche Prosperität, nicht unwesentlich für ein Unternehmen.

CPR wird so zu einem immer wichtiger werdenden unternehmerischen Setting.

Keine politischen Extreme, sondern eine politische Haltung

Es geht bei CPR nicht darum, eine politische  Haltung einzunehmen oder bestimmte Parteien zu unterstützen. Vielmehr geht es um eine politische Wertehaltung, die gesellschaftliche Vielfalt und Freiheit ermöglicht. Es gehe nicht darum, eine politische Richtung vorzugeben, so Martin. Seiner Erfahrung nach ist diese Aushandlung ein lebendiger Prozess, dessen Ergebnis immer wieder in Frage gestellt und überdacht werden muss. Wichtig ist, dass ein Unternehmen Räume für diesen Austausch schafft. Zudem wird dieser Austausch meist von einzelnen Mitarbeiter*innen vorangetrieben und benötigt daher entsprechende Zeit und Unterstützung. Auf die interne Kommunikation folgt im besten Fall die Kommunikation nach außen. So wird nicht nur dem eigenen Unternehmen, sondern auch dem Markt und den Partner*innen klar, wie sich das Unternehmen in einer freiheitlichen demokratischen Wertegemeinschaft verortet..

Wie der Prozess abläuft und von wem er ausgeht, hängt laut Martin vom Unternehmenssetting, den Ressourcen und den bestehenden Verantwortlichkeiten ab.

Mit Empathie ins Gespräch

Während der Pandemie stand der Gesundheitssektor im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Desinformation, Hass und Hetze hat Martin im Zusammenhang mit AKQUINET und gegenüber Kunden und anderen Unternehmen nicht wirklich erlebt, erleben müssen. Er vermutet, dass das daran liegt, dass wir bei AKQUINET ein privilegiertes Setting haben und aufgrund unseres technischen Know-Hows schon Antennen für Fake News und Desinformation haben. Hier ist im Austausch mit anderen Unternehmen zu konstatieren, dass es keine signifikante Branche gibt, die stärker betroffen ist als eine andere. Vielmehr handelt es sich um ein Phänomen, das sich quer durch unsere Gesellschaft zieht und nicht in einer Ausschließlichkeit auf demografische oder soziokulturelle Faktoren zurückzuführen ist.

Martins Tipp: Wenn man im beruflichen Kontext mit Menschen zu tun hat, die sich und ihre Meinung auf falsche Informationen stützen, sollte man auf sein Gegenüber eingehen und sich fragen, woher der andere seine Informationen bezieht. Warum denkt er so, wie er denkt? Man muss ihn mit seinen Ansichten und Meinungen ernst nehmen und ihn gedanklich und kommunikativ an die Hand nehmen, wenngleich diese für einen selbst noch so abstrus sein können. So hat man die Chance, eine andere Denkrichtung im Diskus mit ihm einzuschlagen und sich auf Fakten zu stützen. Man sollte durchaus hartnäckig bleiben und bei Fehlinformationen mit Fakten und belegten Daten dagegen halten. Gelingt es nicht, zu der Person durchzudringen, sollte man abwägen, inwieweit die private oder berufliche Beziehung zu der eigenen Haltung passt, und entsprechende Konsequenzen ziehen.

Jedes Unternehmen kann beim BC4D mitmachen

Wer beim BC4D mitmachen möchte, kann sich gerne unter #BC4D – Business Council for Democracy: bc4d.org informieren und für die Teilnahme am Programm eine Anfrage stellen.

Hier geht es zum Podcast mit Dr. Martin Weiß zum Thema BC4D

Link zum Podcast Demokatisches Werteverständnis in Unternehmen mit Martin Weiß

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