Neue Mitarbeitende gewinnen – eine gute IT-Lösung reicht nicht aus

Ein zentrales Problem der Sozialwirtschaft ist der Personalmangel. Viele haben schnelle Antworten auf die Frage parat, wie man neues Personal gewinnen kann. Sätze wie „Du musst einfach über TikTok gehen“ oder „Das Gehalt muss halt stimmen“ fallen häufig.

In sozialwirtschaftlichen Einrichtungen überlegen die Führungsetagen auch oft, ob denn nicht eine gute IT-Lösung für das Bewerbermanagement die Lösung des Problems darstellt. Sicherlich sind diese Ansätze alles andere als falsch, jedoch meiner Ansicht nach auch nicht ausreichend. Denn das Problem liegt tiefer.

Innensicht: Selbstverständnis in der Sozialwirtschaft

mitarbeitergewinnung-sozialwirtschaft-healthblog-akquinetEinige Fragen können zum Kern des Problems führen, wie zum Beispiel „Bin ich als Unternehmen der Sozialwirtschaft für Fachtalente überhaupt interessant?“ Die Antwort lautet viel zu oft: „Nein, wohl nicht interessant genug.“ Denn es gibt deutlich zu wenige Menschen, die sich für diese Berufswelt entscheiden und zu viele, die sie verlassen. Warum ist das so?

Sozialwirtschaftliche Unternehmen sind im Vergleich zu anderen Branchen insgesamt wenig attraktiv. Sie haben ein eher angestaubtes, wenig innovatives Image. Daher sollte sich die Sozialwirtschaft fragen, ob ihr Selbstverständnis noch zum heutigen Arbeitsmarkt passt. Bisher überwiegt noch die Grundhaltung „Ich bin ein Versorger, ich kümmere mich um meine Schützlinge.“ Doch dieses Modell findet gesellschaftlich schon lange keine Anerkennung mehr und daher müssen die sozialwirtschaftlichen Unternehmen umdenken: Das Zentrum ihres Handelns sind nicht sie selbst, sondern das sozialgesellschaftliche Setting und letztendlich die Kunden als aktiver Akteur mit dem Anspruch auf Self Service und Self Measurement.

Schon alleine aus diesen Marktveränderungen heraus bedarf es eines darauf ausgerichteten Human Capital Managements. Die sozialwirtschaftlichen Unternehmen müssen dahin gehen, wo ihre Kunden sind und sie dort begleiten und unterstützen. Und deswegen müssen sie auch dort hingehen, wo die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen nicht nur aufmerksam werden, sondern wahrnehmen, welche Möglichkeit, Chance und Vielfältigkeit die sozialwirtschaftlichen Berufsfelder ermöglichen. Sozialwirtschaftliche Unternehmen sollten sich eher als Enabler sehen, die ihre Kunden und Mitarbeiter:innen motivieren.

Es geht um viel mehr als ums Gehalt

Eine weitere Frage auf der Suche nach den Gründen für den Personalmangel lautet: „Was erwarten künftige Fachtalente eigentlich von ihrer Arbeit und dem Arbeitgeber?“

work-life-balance-sozialwirtschaft-healthblog-akquinetMan kann sicher sagen, dass diese Erwartungen in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen sind. Jungen Menschen der Generationen Y oder Z geht es um viel mehr als ums Geldverdienen. Sie schauen auf Chancen und Soft Skills der Arbeitgeber wie Entwicklungsmöglichkeiten, Atmosphäre und Work-Life-Balance.

Und sie wollen etwas tun, was Sinn macht. Hier hat sie Sozialwirtschaft doch so viel zu bieten. Aber schafft sie es auch, das glaubhaft zu kommunizieren? Viele verbinden mit dem Job eher „Zu wenig Gehalt, zu viel auslaugende Arbeit“. Die Corona-Pandemie hat leider und doch endlich vieles zu Tage gefördert.

Außerdem erwarten junge Fachtalente das Teilhaben am bzw. das Mitgestalten im Unternehmen. Der passive Umgang mit Strukturen und Vorgesetzten ist passé. Mitarbeitende wollen an Entscheidungen beteiligt sein, auch an strategischen Planungen. Sie erwarten einen Digital Workspace als Grundlage ihrer Arbeitsweise und Unternehmenskultur mit einer digitalen Arbeitsumgebung. Dazu gehört die Möglichkeit auch des mobilen Arbeitens, der virtuellen Zusammenarbeit, dem ortsunabhängigen Zugang zu Anwendungen und der Automation von Prozessen.

Und all dies nicht nur in der Innenorganisation eines Unternehmens, sondern vor allem mit, für und zum Kunden hin. Es muss ein Zusammenspiel mit dem Kern sozialer Arbeit, dem Zusammen und dem Miteinander in Teilhabe, Assistenz, Pflege und Begleitung des Kunden entstehen. Dazu zählt auch, dass Arbeitgeber in der Sozialwirtschaft zukünftig über den eigenen Tellerrand schauen, neue Wege gehen und letztendlich auch über Plattformökonomien mit dem Kunden kollaborieren muss (1).

Digital Natives gesucht

digital-workspace-bewerbermanagement-sozialwirtschaft-healthblog-akquinetFalls Arbeitgeber dies nun alles überzeugend bieten könnten, wie erreichen sie damit die jungen Fachtalente?

In der Sozialwirtschaft sind viele Stellenangebote noch zu wenig „hip and emotional attractive“ und eher nichtssagend. Sie vermitteln zu wenig das Besondere der Aufgabe und des Arbeitsgebers. Schon die Stellenanzeige sollte ausdrücken: Wir haben Lust auf dich, hier kannst du dich entfalten. Wir müssen uns klarmachen, dass wir hier Digital Natives erreichen wollen, denn so sollten wir fast alle Menschen unter 30 Jahren bezeichnen.

Es liegt auf der Hand, dass für die Personalgewinnung und für die Personalbindung Social Media genutzt werden muss, und zwar so, dass es die Zielgruppe auch anspricht. Die Social Media bieten die Möglichkeit, sich individuell zu präsentieren und damit auch die Zielgruppe zu erreichen. Wer regional tätig ist, hat gerade über Social Media die Möglichkeit des passgenauen Targetings.

Anschließend muss es möglich sein, sich schnell und ohne große Hürden zu bewerben. Konzerne anderer Branchen machen es vor: ohne schriftliche Bewerbung unkompliziert Kontakt aufnehmen und direkt mit künftigen Kolleginnen und Kollegen sprechen oder chatten. Schließlich kann das “prozessorientierte und KI-gestützte” Human Capital Management diese Maßnahmen unterstützen mit Lösungen für Bewerbermanagement, On- und Offbording, Skill- und Entwicklungsmanagement oder Personalsteuerung.

Man erkennt, dass das Problem des Personalmangels in der Sozialwirtschaft tiefsitzt und seine Wurzeln in einem schon lange veralteten Selbstbild, in nicht attraktiven Arbeitsplätzen und mittlerweile vor allem auch in der mangelnden Fähigkeit die Zielgruppe zu erreichen, liegen. Es ist nicht leicht, den Hebel überall umzulegen, denn gerade tradierte Haltungen und Denkmuster lassen sich nicht schnell verändern. Die Digitalisierung kann aber ihren Teil dazu beitragen, neue Wege auszuprobieren und diese Herausforderungen anzunehmen. Aber nicht die Digitalisierung alleine. Es muss ein Umdenken an vielen Stellen passieren, vielleicht auch noch mit einem Generationenwechsel einhergehend.

(1) Vgl. den demnächst erscheinenden Fachbeitrag zur Plattformökonomie in der Sozialwirtschaft.

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