Unternehmenssteuerung und Controlling in der Sozialwirtschaft

zentrales-einkaufscontrolling-sozialwirtschaft-healthblog-akquinetHerausforderung zentrale Unternehmenssteuerung und Controlling: Vom aussagekräftigen Ist-Zustand zum tragfähigen Soll-Konzept

Viele sozialwirtschaftliche Einrichtungen, die eine bestimmte Größe erreicht haben bzw. mit unterschiedlichen Unternehmens- oder Angebotssegmenten auf dem Markt vertreten sind, sind hinsichtlich ihrer organisatorischen Steuerung noch nicht zentral aufgestellt. Das bedeutet, dass jeder Geschäftsbereich wie beispielsweise Alten- und Behindertenhilfe, Kinder- und Jugendhilfe oder Werkstätten mehr oder weniger autark agiert und seine Geschäfts-, Planungs- und Prognosezahlen konsolidiert an die Konzernführung weiterleitet. Da sich aber jeder anders organisiert, also zum Beispiel andere Kenn- und Wertezahlen ansetzt, andere Annahmen für die Planung trifft und oftmals auf verschiedene Konten abrechnet, existiert keine Vergleichbarkeit der Geschäftsbereiche. Damit ist es unmöglich, eine zentrale Steuerung über die Bereiche hinweg aufzubauen, da sich die Daten nicht nach oben hin aggregieren und zentral steuern lassen.

Zunächst stellt sich die Frage, warum eine zentrale Unternehmenssicht nötig ist und was die Vorteile dessen sind. Reicht es für die Gesamtsteuerung der Einrichtung nicht aus, die Zahlen einmal im Monat geliefert zu bekommen? Nur eine zentrale und möglichst aktuelle Sicht auf das gesamte Unternehmen hilft dabei, nicht nur Optimierungs-, vielmehr auch Marktpotenziale zu erkennen und letztlich davor zu schützen, in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Nachfolgend sollen anhand des Informationsmanagements und Controllings als eines der Kernelemente einer zentralen Steuerung gezeigt werden, wie der Weg vom Ist zum Soll gestaltet werden sollte.

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Von Basisdaten über IST-Datasets zu PLAN-Datasets und proaktivem Controlling.

IST-Analyse auf breiter Informationsbasis

Die IST-Analyse kann anhand von Interviews und teilstandardisierten Fragebögen mit den Geschäftsbereichsleitungen bzw. Einrichtungsleitungen aufgenommen werden. Im Fragebogen lassen sich die Strukturen, Prozesse, Kostenstellen, Planungen, Berichte und Umlagen aufnehmen. Je nach Position im Unternehmen können die Fragebögen und Interviews verschieden differenziert sein. Weitere Basis sind Berichtsdokumente der Bereiche und eine Analyse der aktuell im Einsatz befindlichen Systeme. Aus diesen Informationen kann die IST-Analyse für folgende Bereiche entwickelt werden:

  1. SWOT-Analyse und grobe Handlungsfelder
  2. Personalcontrolling
  3. Umlagensystematik (falls erforderlich)
  4. Aufbauorganisation Controlling
  5. IT-System
  6. Stakeholder-Analyse
  7. Managementinformationssystematik

Controlling in der Sozialwirtschaft

Das Personalcontrolling sollte in der IST-Analyse gesondert betrachtet werden nach den Bereichen Berichtswesen, Systeme und Anforderungen. Diese Analyse sollte insbesondere folgende Fragen beantworten: Was wird als Zielsetzung des Personalcontrollings genannt? Welche Daten (Altersstruktur, Fluktuation, AU-Quote, Vergütungsstrukturen, Fachpersonalquote im Verhältnis zum Leistungsportfolio) werden erfasst? Werden Systeme zur Erfassung? Welche Personal-Berichte werden der Unternehmensführung in welcher Häufigkeit vorgelegt? Wie erfolgt eine proaktive Personalquotensteuerung nach Angebot, Nachfrage und tatsächlicher Leistungserbringung?

Innerhalb der IST-Erfassung der Umlagensystematik sollen Umlagen von übergeordneten Kostenstellen gesondert betrachtet werden. Existieren für solche Umlagen einheitliche Vorgaben? Ist die Weiterberechnung transparent? Werden identische Begrifflichkeiten verwendet? Diese Analyse und ggf. unternehmensweite Vereinheitlichung soll dazu führen, dass eine Überprüfbarkeit für den Konzern und auch für Dritte erreicht wird.

Die Darstellung der Aufbauorganisation Controlling über ein Organigramm zeigt den IST-Stand für alle Beteiligten klar auf und dient als Basis für die Entwicklung des Solls. Anhand des Organigramms können auch Unklarheiten in Befugnissen oder zu konzentrierte Befugnisse auf eine Person in einem Geschäftsbereich visualisiert werden.

Die visuelle Darstellung der IT-Systeme zeigt die verschiedenen im Einsatz befindlichen IT-Systeme, die sich dem Controlling zuordnen lassen. In der Systemlandschaft sollten alle Programme wie Buchhaltungsprogramm, Kassenprogramm, Anlagenbuchhaltung, Leistungsabrechnung, Personalabrechnung, Controlling-Tool oder auch BI-Tool erfasst werden. Die Visualisierung zeigt, aus welchen Systemen die Daten für das Controlling stammen und wie sie innerhalb verschiedener Systeme genutzt und verändert werden.

Ein weiteres Element der IST-Analyse ist die Stakeholder-Analyse, mit der die Anforderungen und Erwartungen der Stakeholder erfasst werden. Mögliche Stakeholder sind neben den Geschäftsbereichsleitern und dem Vorstand auch Wirtschaftsprüfer, das Kuratorium, Personalentwickler, Recruiter oder die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Analyse beantwortet auch folgende Aspekte: In welcher Häufigkeit erhalten sie bisher welche Informationen? Wie sind diese Informationen aufbereitet?

Mögliche Controllingperspektiven

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Mögliche Controlling-Perspektiven

 

Managementinformationssystematik (MIS)

Das MIS bündelt sämtliche Informationsstränge als aussagefähiges und transparentes System zur Steuerung des Unternehmens. Damit erhält die Steuerungsebene eines Sozialunternehmens die notwendigen Instrumente zur Hand, um Aspekte der Wirtschaftlichkeit und der Leistungsindikatoren so zu monitoren, dass Indikatoren für die Weiterentwicklung des Unternehmens zur Verfügung stehen.

SOLL-Konzept legt Prozesse und strukturelle Voraussetzungen fest

Ein wichtiges Element des SOLL-Konzepts ist die Vereinheitlichung der strukturellen Voraussetzungen für das Controlling und die daraus resultierenden Komponenten einer ganzheitlichen Unternehmenssteuerung. Dies beginnt bei der Betrachtung der Kostenarten, der Kostenstellenstruktur und der Kostenträgerrechnung und ggf. der Entwicklung einheitlicher Grundlagen für das Controlling, auf die sich alle Bereiche einigen. Mit der einheitlichen Kostenstellenstruktur kann zugleich eine neue Deckungsbeitragsrechnung entwickelt werden. Auszüge dessen können in Form eines Standardreports künftig an die jeweiligen Stakeholder versendet werden. Mit der Deckungsbeitragsrechnung soll eine neue Steuerungslogik im Unternehmen etabliert werden und die Führungskräfte dazu befähigen, aktiv ihre Verantwortungsbereiche zu steuern.

Prozessmodell für gemeinsames Verständnis

Das Zusammenwachsen der einzelnen Bereiche in eine gemeinsame Controlling- und Steuerungsstruktur verlangt einen gemeinsamen Denkansatz. Daher sollten sich alle Beteiligten zunächst auf ein einheitliches Prozessmodell für das Controlling verständigen als Grundlage des Soll-Konzepts.
Das Prozessmodell macht die Strukturen der verschiedenen Prozesse, ihre Abhängigkeiten und die Aufgaben des Controllings transparent. Grundsätzlich bewegt sich das Controlling im Regelkreis von Planung, Zielfestlegung und Steuerung in allen Prozessen. Meist werden die Standard-Hauptprozesse „Planung & Budgetierung“, „Kostenrechnung, Forecast & Management Reporting“, „Entgelte & Refinanzierung und Business Partnering/Beratung“ um je individuell untergeordnete Prozesse wie zum Beispiel „Investitionscontrolling“ oder „Projektcontrolling“ erweitert. Die Prozesse, ihre Abfolge und Abhängigkeiten untereinander sollten in einer Prozesslandkarte visualisiert werden, damit jeder Beteiligte schnell einen Überblick über die gesamte Prozesslandschaft hat. Darauf aufbauend lassen sich aus den Resultaten des IST-Zustandes die einzelnen Prozesse und Prozessregeln definieren.

System- und Organisationsstrukturen

Abschließend sollten die SOLL-Systeme und die Organisationsstrukturen visualisiert werden. Aus welchen Datenquellen werden die Informationen bereitgestellt, wie werden sie aggregiert und dem Management als Dashboard bereitgestellt? Wichtig ist auch die Frage, welche Forecast-Werte auf dieser Informationsbasis bereitgestellt werden können, da diese große Aussagekraft haben für die künftige finanzielle Sicherheit. Diese Visualisierung entspricht der Visualisierung des IT-Systems – jetzt allerdings als SOLL-Status.

Change Management als wichtiger Faktor des Zusammenwachsens

Der Weg hin zu einer zentralen Unternehmenssteuerung und einem zentral einheitlichen Controlling ist auch deswegen nicht leicht, weil die einzelnen Bereiche der Einrichtung so vergleichbarer werden und an Eigenständigkeit verlieren. Hier geht es neben organisatorischen und IT-Herausforderungen zentral auch um ein Change Management für ein gelingendes Zusammenwachsen der einzelnen Geschäftsbereiche.

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